Eine ungehaltene Rede zur Abschiebung einer deutschen Roma-Familie

In der Ratssitzung vom 12. Februar, verhinderte eine große Koalition aus SPD und CDU/FDP dass über den Antrag der Fraktionen von Piraten, B90/Grüne und Linke im Stadtrat diskutiert und abgestimmt wird. Auf den Flure hieß es: Über das Verhalten des Oberbürgermeisters Köhler solle nicht öffentlich gesprochen werden.
Hier der Link zum Bericht des Göttinger Tageblatt: http://www.goettinger-tageblatt.de/Goettingen/Uebersicht/Tumulte-im-Goettinger-Rat

Verhindert wurde u.a. dass die Reden gehalten werden konnten. Ich halte es aber für wichtig, diese öffentlich zu machen.

Hier der geplante Wortlaut:

Sehr gehrte Kollegen*innen, liebe Göttinger Bürger*innen
eigentlich dürfte ich hier gar nicht stehen und reden – denn es machte mich wütend und fast sprachlos, was wir in punkto Verwaltungshandeln in den letzten Tagen erleben mussten.

Die Rede von Mehmet Tugcu hat den Fall und die grundsätzlichen Fragen dargestellt, daher beschränke ich mich auf Gesichtspunkte, die sich auf die Göttinger Verwaltung bezieht.

Wir bringen hier einen interfraktionellen Antrag ein, der darauf abzielt, menschlich mit den betroffenen Familien umzugehen. Aber es ist mir wichtig darauf hinzuweisen, dass auch juristisch die Familie noch ein Recht auf eine Hauptsacheverhandlung hat – doch die Verwaltung der Stadt Göttingen will diesen Familien dieses Recht durch eine Abschiebung vorenthalten.

Während in Gesprächen an den letzten Tagen unser Herr Oberbürgermeister Köhler darauf dringt, dass der Rat ihn nicht beauftragen könne, sondern nur bitten – und wir auch noch breit sind, durch einen Änderungsantrag darauf einzugehen – ist es beschlossene Sache, Fakten zu schaffen. Wieviel Missachtung  muss man einem demokratischen Gremium entgegenbringen, um so zu handeln.

Es fällt auf, dass die Stellungnahmen der städtischen Rechtsabteilung nicht, wie es angebracht wäre, positives  und einem weiteren Aufenthalt der Familie Entgegenstehendes gegenüber stellt. Das wäre die Voraussetzung, um eine politische Entscheidung in Abwägung treffen zu können. Stattdessen sticht in Äußerungen und Dokumenten immer wieder deutlich hervor, dass eines für die Verwaltung festzustehen scheint:  „Die Familien müssen weg, wir haben die Nase voll“ – jedwede positiven Aspekte werden nicht einmal erwähnt.

Es ist unglaublich zu behaupten, dass Menschen, die hier in Göttingen geboren sind und kein anderes Land aus der Lebenserfahrung kennen, keine „faktischen Inländer“ wären.
Wer – frage ich Sie – denn dann? Denn es geht hier nicht vorrangig um eine formale Frage der Staatsbürgerschaft, sondern um die kulturelle und gesellschaftliche Zugehörigkeit.

Mit gleichem Recht kann ich hier behaupten, dass diese Familien und viele andere in ähnlicher Situation nie eine Chance hatten und haben. Die rassistischen Vorbehalte gegen Roma sind Jahrhunderte alt und immer noch  vielerorts lebendig. Der Umgang mit den Roma nimmt ihnen die Würde, die wir grundgesetzlich garantieren. Menschen darunter viele Kinder zu versuchen mit 60 BFE-Beamten Nachts unangekündigt aus Wohnungen abzuholen, weckt keine guten Erinnerungen.

Die Stadtverwaltung, vor allem in der Person unseres Oberbürgermeisters, betont immer wieder, dass Göttingen für die Abschiebung keine Verantwortung trüge. Gegensätzliche Meinungen dazu werden heftig mit juristischen Fachvokabeln zurückgewiesen. Daher möchte ich hier die Polizeiverlautbarung zur letzten Abschiebung zitieren. Diese stützt unsere Auffassung:
„Hauptverantwortlich für den Grundverwaltungsakt der Abschiebung ist das
Ausländeramt der Stadt Göttingen.“
im weiteren wird erläutert dass lediglich die praktische Durchführung bei der Landesbehörde liegt.

!Herr Köhler!
Stehen Sie wenigstens dazu, dass Sie hier für die Göttinger Verwaltung die Verantwortung tragen!

Es ist aus unserer Sicht ein klarer Rechtsbruch, wenn ein Staatsorgan (das im Gerichtsverfahren Partei ist) verhindert, dass ein Betroffener den Rechtsweg ausschöpfen kann.  Dieses Verhalten hat mit humanem, demokratischen Rechtsstaat nichts mehr zu tun.

Aber leider ist es bisher nicht strafbar, unmenschliche Gesetze zu vollstrecken.
Das wird es immer erst im historischen Rückblick.

Kollegeninnen und Kollegen, versuchen wir gemeinsam diese Familie zu retten:  stimmen sie dem Antrag zu.

Herr Köhler, ich appelliere an Sie:
geben Sie den Familien eine Chance und nehmen Sie den Vorschlag des Anwalts [auf Duldung für ein Jahr (eventuell mit Auflagen)] an!


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